Bruce Springsteen ist "der Boss", die "Zukunft des Rock'n Roll" oder auch: "Anwalt des einfachen Mannes". Vor allem aber will Springsteen ein Vermesser des amerikanischen Traumes sein. "Born in the USA". Von Christian Schaaf
Credits
Autor dieser Folge: Christian Schaaf
Regie: Susi Weichselbaumer
Es sprachen: Christian Baumann, Katja Bürkle, Carsten Fabian
Technik: Ursula Kirstein
Redaktion: Katharina Hübel
Im Interview:
Stefan Hentz, Musikjournalist
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Literatur:
Bruce Springsteen: Born to run. Die Autobiografie. Heyne 2018.
Peter Kemper: Rock-Klassiker. 3-bändiges Rock-Lexikon. In Zusammenarbeit mit Arte. Reclam 2003.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sprecher:
Dritter Januar 1982. In Colts Neck, New Jersey, zieht sich der Rockstar Bruce Springsteen in sein Schlafzimmer zurück. Eine Gitarre, eine Mundharmonika und ein Vierspur-Kassetten-Rekorder. Den Kopf voller Songs und Geschichten. Hinter ihm liegt ein kometenhafter Aufstieg. Innerhalb kurzer Zeit ist er von einem Kneipen-Musiker zu einem der angesagtesten Musik-Acts der Vereinigten Staaten aufgestiegen. Fünf Alben haben Springsteen und seine E Street Band in sieben Jahren veröffentlicht. Das letzte von ihnen, “The River”, liegt etwa zwei Jahre zurück. Top-Platzierungen in den Charts. Ausverkaufte Konzerte. Viel Geld. Die Presse nennt ihn euphorisch „Die Zukunft des Rock´n Rolls“. Es ist die Anerkennung, nach der er lange gesucht hat. Eigentlich ist er angekommen. Eigentlich.
Sprecherin:
Doch da ist das Gefühl, dass es das nicht gewesen sein kann.
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen: State Trooper 0.50
Sprecherin:
In seiner Autobiografie “Born to run” beschreibt Springsteen diese tagelangen Aufnahmesessions in seinem Schlafzimmer als “eine Art Meditation”. Es geht ihm um die Atmosphäre, “um die Tonart”, wie er schreibt. Mehrere Dutzend Songs und Fragmente sprudeln im Winter 1982 im Schlafzimmer aus Springsteen geradezu heraus. Texte, in denen Tagträume, Erinnerungen, Persönliches und Politisches zusammenfließen. Sie kommen direkt aus seiner Seele.
Sprecher:
Springsteen überlegt lange, was er mit diesen verwaschenen Liedern auf seinem Kassettenrekorder anfangen soll und entschließt sich dazu, einige der Schlafzimmer-Aufnahmen nur leicht im Studio nachzubearbeiten und dann als Solo-Platte herauszubringen. Das Album “Nebraska” erscheint im Herbst 1982 und wird lange nicht so erfolgreich, wie die bisherigen Springsteen-Alben. Die dunklen, minimalistischen Songs eignen sich nicht für die großen Radiostationen und Konzerte in Sportarenen.
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen “Cover me” 0.57
Sprecherin:
Doch gleichzeitig finden sich in der riesigen Menge der Kassetten-Aufnahmen auch noch einige Songideen für ein weiteres, vor Kraft strotzendes Album, das zu seiner E-Street-Band passt. Es entsteht zum Teil zeitgleich mit “Nebraska” und könnte gegensätzlicher nicht sein. Bombastische, mitreißende Gassenhauer, eher für Sportstadien als fürs Schlafzimmer.
Einspielung: Musik: Born in the USA 0.38
Sprecher:
Bis ins Jahr 1984 ziehen sich die Aufnahmen in verschiedenen New Yorker Tonstudios hin. Am Ende entsteht Springsteens siebtes Studio-Album. Es ist, wie er selbst sagt, das Album seines Lebens. Sein bislang erfolgreichstes. Etwa 30 Millionen Mal verkauft sich “Born in the USA” und bleibt wochenlang an der Spitze der Charts - und das nicht nur in den USA. Die Platte macht den 35-jährigen Springsteen endgültig zu einem internationalen Megastar.
Sprecherin:
Dabei ist der Titel-Song “Born in the USA” wohl eines der größten Missverständnisse in der Rockgeschichte - nicht zuletzt deshalb, weil ihn der Republikanische US-Präsident Ronald Reagan in seinem Wahlkampf 1984 einsetzt, um wiedergewählt zu werden - bis Springsteen ihm das schließlich verbietet. Denn: Der Song ist definitiv keine patriotische Hymne. Er handelt vielmehr davon, wie patriotische Gefühle ausgenutzt werden, um fragwürdige Politik zu rechtfertigen und Kriege zu führen.
Einspielung: Musik: Born in the USA 0.16
Einspielung Liedpassage aus “Born in the USA:
„Got in a little hometown jam
So they put a rifle in my hand
Sent me off to a foreign land (foreign land)
To go and kill the yellow man”
Sprecherin:
Eine düstere Anklage des Vietnamkriegs und dessen mangelhafte Bewältigung in der amerikanischen Gesellschaft, geschrieben aus der Perspektive eines desillusionierten Kriegsheimkehrers.
Einspielung
“Born in the U.S.A (born in the U.S.A)
I was born in the U.S.A (born in the U.S.A)”
MUSIK Easy riding USA 0.37
Sprecher:
Vorlage für “Born in the USA” sind die Erinnerungen des Vietnam-Veteran und Friedensaktivisten Ronald Kovic (Sprich: rɔn ʹkoʊvɪk), der seine Lebensgeschichte als Buch mit dem Titel “Geboren am 4. Juli” Mitte der 1970er veröffentlicht hatte, also fast zehn Jahre vor „Born in the USA“. In seinem Buch beschreibt Kovic, wie er von der Brust abwärts gelähmt aus dem Vietnamkrieg zurückkehrt. Er hadert mit dem Amerika, das ihn in einen sinnlosen Krieg geschickt hat.
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen “Working on a Highway” 0.55
Sprecherin:
Springsteens Thema sind Lebenserzählungen von Menschen in Amerika, die selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. In „Working on a Highway“ verpackt Springsteens E-Street Band geschickt die Tragik der Geschichte mit einem leichtgängigen und gefälligen Rockabilly-Beat und in Synthesizern.
Sprecher:
Der Song erzählt von einem Straßenarbeiter. Er hofft auf ein besseres Leben mit seiner großen Liebe, einem noch minderjährigen Mädchen. Doch deren Eltern wollen die Beziehung nicht. Die beiden brennen durch, er wird wegen des Vorwurfs der Entführung einer Minderjährigen verhaftet und bearbeitet jetzt den Asphalt auf dem Hof einer Strafanstalt. Springsteen hat solche Schicksale im Familien- und Freundeskreis miterlebt.
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen: “My Hometown”
Now Main Street's whitewashed windows
And vacant stores
Seems like there ain't nobody
Wants to come down here no more
They're closing down the textile mill
Across the railroad tracks
Foreman says, "These jobs are going, boys
And they ain't coming back”
Sprecher:
Besonders im Schluss-Song des Albums “My Hometown” zeichnet Springsteen ein insgesamt beunruhigendes Bild vom ländlichen Kern der US-Gesellschaft. Die Wirtschaft dort geht den Bach hinunter und damit verschwindet auch die Hoffnung und die Zuversicht der Menschen, die dort wohnen. Die Gesellschaft, der Zusammenhalt dort, löst sich allmählich auf.
Sprecherin:
Springsteen hat in einem Interview mit dem Rolling Stone Magazine im April 1985 gesagt, er habe den größten Teil seines Lebens damit verbracht, die Kluft zwischen dem amerikanischen Traum und der amerikanischen Realität zu vermessen. Das Ergebnis fällt im Erscheinungsjahr von “Born in the USA” 1984, ernüchternd aus. Doch was ist in Springsteen's Augen der Soll-Zustand der US- Gesellschaft? Was ist sein Traum von Amerika, dessen Ableben er in so vielen Songs betrauert? Der Musikjournalist Stefan Hentz aus Hamburg hat sich intensiv mit Bruce Springsteen und seinem Songwriting auseinandergesetzt. Er hat da eine Vermutung:
Einspielung: OT Hentz 1:
“Bei ihm würde ich so eine Auslegung sehen, die im Grunde gegen die Industrialisierung der Gesellschaft, die ja quasi ursprüngliche Gemeinschaften aufgesprengt hat und irgendwie zu so einer Vereinzelung geführt hat. Also das glaube ich schon, dass das bei ihm so ein Motiv ist. Ich stelle mir vor, dass sein Idealbild ist eines, von wo man als Jugendlicher erst mal keine Probleme hat, Orte zu finden, wo man andere Jugendliche trifft und wo man mit denen was machen kann. Sei es Musik machen, sei es sich verlieben, sei es ungestört mit dem Ergebnis einer Verliebtheit umgehen und selbstbestimmt Entscheidungen treffen, also wo es so eine Verbindung von Community gibt und Individualismus und Individualismus eben nicht heißt, dass man empathielos sein muss und nur mit der Machete durch eine Gesellschaft rennt, sondern wo es da so eine Verbindung gibt. ”
Einspielung Musik: Easy riding USA 0.34
Sprecher:
Die wohl ursprünglichste Verbindung, mit der es Bruce Springsteen von klein auf zu tun hat, ist seine Familie. Bruce Frederick Joseph Springsteen wird am 23. September 1949 in Freehold, New Jersey geboren. Sein Vater, Douglas Springsteen, dessen Vorfahren aus den Niederlanden und Irland stammen, schlägt sich in den Nachkriegsjahren durch mit verschiedenen Jobs als Teppichweber, Gefängniswärter oder Taxifahrer. Bruce und seinen Schwestern Pamela und Virginia gegenüber ist er eher kühl und distanziert.
Einspielung Musik: Country charm A 0.59
Sprecherin:
Adele Springsteen, die Mutter von Bruce, ist dagegen warmherzig, das eigentliche Zentrum der Familie. Ihre Vorfahren stammen aus Italien. Sie arbeitet als schlecht bezahlte Sekretärin in einer Anwaltskanzlei und ist in ihrem ganzen Arbeitsleben nur einen einzigen Tag krank. So schreibt es Bruce Springsteen in seiner Autobiographie. Sie ist es, die Bruce, als er 10 Jahre alt ist, von ihrem kargen Lohn die erste Gitarre für 18 Dollar kauft und ihm dabei vermittelt: Arbeiten gehen und sein eigenes Geld verdienen, das ist keine Last. Das ist ein Ausdruck von Würde. Adele Springsteen ist jahrzehntelang der Fixstern in Springsteens Leben, der Ruhepol, auf dem er schon bald sein Leben als umherziehender Musiker aufbaut. Er selbst beschreibt das Verhältnis zu seiner Mutter in einem Interview mit dem WDR aus dem Jahr 2016 so:
Einspielung: OT Bruce 1
Overvoice:
“Ich denke, Musiker sind verliebt in die Vergänglichkeit. Dass es immer eine neue Chance gibt. Morgen bist du in einer neuen Stadt, an einem neuen Ort, aber irgendwann wird das dünn. Ich denke, die Frauen in meinem Leben haben immer ein Gefühl der Beständigkeit gebracht, ein Gefühl von Dingen, die für immer bei dir bleiben. Meine Mutter hat sicherlich ein starkes Gefühl von Verwurzelung durch ihre eigene persönliche Beständigkeit, ihr eigenes tägliches Ritual, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Nach Hause zu kommen, sich um die Familie zu kümmern, Tag für Tag, Jahr für Jahr. In dieser Art von Beständigkeit lag ein Segen. Jahrelang vergisst man das. Du bist jung, reist herum, aber irgendwann fängt etwas an, an dir zu nagen, und du beginnst, dich nach etwas zu sehnen, das beständiger ist als deine nächtlichen Auftritte und das Publikum. Du sehnst dich nach einem eigenen Platz.”
Einspielung: Musik: Elvis Presley Hound Dog 0.48
Sprecher:
6. Januar 1957. Bruce ist acht Jahre alt. In seinen kleinen Kosmos schlägt Elvis Presleys Musik wie ein Meteorit ein. Nach diesem Tag, an dem Bruce Springsteen Elvis Presley in der Ed Sullivan Show im Fernsehen gesehen hat, ist nichts mehr wie es vorher war, so beschreibt er es in seiner Autobiographie: Bruce ist klar: Musik - Der Rock ´n Roll - ist mein Leben!
Sprecherin:
Jahrelang bettelt er von nun an seine Mutter an, sie möge ihm doch eine Gitarre kaufen, wie die, die so lässig vor Elvis Hüften baumelt. Irgendwann merkt Adele Springsteen, dass es ihrem Sohn wirklich ernst ist und erfüllt ihm den Wunsch. Springsteen fängt sofort an, sich selbst die ersten Griffe auf der Gitarre beizubringen.
Einspielung Musik: Bobby sockers 1.31
Sprecher:
1965 im Alter von 16 spielt er in seiner ersten Band aus High-School Freunden, die Beatles- und Elvis-Presley-Songs und Motown-Hits covern. Nach und nach wird der junge Springsteen zu einer lokalen Berühmtheit in New Jersey – der allmählich auch beginnt, seine ersten eigenen Songs zu schreiben.
Sprecherin:
Bruce Vater gefällt das alles nicht. Er findet, dass Musiker zu sein, kein richtiger Beruf ist. Außerdem ist er regelmäßig genervt, wenn sein Sohn mit der E-Gitarre übt. Mit Ach und Krach schafft Springsteen den Highschool-Abschluss. Auf dem weiterführenden College hält es ihn nicht lang.
Einspielung Musik: Easy riding USA 1.30
Sprecher:
Bruce Springsteen wird mit 19 Jahren hauptberuflicher Gitarrist und Sänger und verdient mit den regelmäßigen Auftritten seiner Band so viel Geld, dass er mit Musikerfreunden eine gemeinsame Wohnung bezahlen kann. Dann aber bekommt er den Einberufungsbefehl der US-Army.
Sprecherin:
Bruce Springsteen weiß sich zu helfen: Bei der Musterung spielt er vor, er sei von den Folgen eines Motorradunfalls schwer gezeichnet und obendrein ein verrückter Drogen-Junkie. Nicht kriegstauglich. Er wird ausgemustert.
Sprecher:
Er kommt so um einen Einsatz im Vietnamkrieg herum, der vielen seiner Jugendfreunde das Leben kostet.
Sprecherin:
Das schlechte Gewissen, sich vor dem Kampf in Vietnam gedrückt zu haben, ist wahrscheinlich der stärkste Impuls dafür, dass Springsteen später “Born in the USA” schreibt. Auch im Song “War”, den er und die E-Street Band während der “Born in the USA”-Tour spielen, drückt er seine Wut über den Irrsinn aus, das eigene Leben für sein Land zu opfern:
Einspielung Musik Bruce Springsteen Live: “War” 0.56
Archivnummer
-Vorrede Springsteen:
Overvoice:
“Wir sind in den 60ern groß geworden. Wir sind mit Krieg im Fernsehen jeden Abend aufgewachsen, einem Krieg, an dem deine Freunde beteiligt waren, und ich möchte dieses Lied heute Abend für alle jungen Leute da draußen spielen. Wenn du in deinen Teenagerjahren bist. Ich erinnere mich, dass viele meiner Freunde, als wir 17 oder 18 waren, nicht viel Gelegenheit hatten, darüber nachzudenken, wie wir über viele Dinge dachten. Und das nächste Mal werden sie nach Dir suchen, und Du wirst viele Informationen brauchen, um zu wissen, was Du tun willst. Denn im Jahr 1985 wird blindes Vertrauen in Deine Anführer oder in irgendetwas dich umbringen …”
Sprecher:
Schon von seinem ersten Album an, das 1973 unter dem Titel “Greetings from Ashbury Park” erscheint, bildet Springsteen eine Einheit mit der E-Street Band. Die Band besteht aus Musikern, die Springsteen aus seinen musikalischen Anfangstagen aus den Clubs und Kneipen in New Jersey kennt. Der Name stammt von der Adresse einer der ersten Übungsräume der Gruppe, in der Garage der Eltern des Keyboarders David Sancious, in der E-Street in Freehold, New Jersey.
Sprecherin:
Springsteen will nicht einfach ein Singer-Songwriter sein, ein zweiter Bob Dylan, den anfangs viele in ihm sehen. Ein Liedermacher, der eine Band zur Verstärkung dabei hat. Nein, er will die Band als eine eingeschworene Gemeinschaft - als Brotherhood, als Familie. Und so besteht die E-Street Band bis heute im Kern aus den Musikerinnen und Musikern, die Springsteen aus den Anfangstagen in den Kneipen und Ballsälen von New Jersey kennt. Musikjournalist Stefan Hentz:
Einspielung: OT Hentz 2
“Das ist ja letztendlich die Message, bevor nur ein Text geschrieben oder gedacht ist, die in dieser Band steckt. Das sind ja Leute, die er kennengelernt hat, weil er sich stark für Musik interessiert hat und unterwegs war als Gitarrist. Das hat eine Verbindung geschaffen. Und ich glaube, das ist ein Ideal, das ihm vorschwebt. Es gibt eine Verbindlichkeit untereinander. Das ist kein liberales Gesellschaftsmodell, sondern ein kommunitaristisches Gesellschaftsmodell. Wir gehören zusammen, wir haben alle auch Schwächen. Und da gibt es aber auch andere, die können diese oder das besser - dann holt man die dazu, dann helfen die einem. Das ist, glaube ich, das Amerika, das ihm vorschwebt.”
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen Tunnel of love 0.56
Sprecher:
Doch Ende der 80er Jahre, nach zwei ausgiebigen Welt-Tourneen, kommt auch die eingeschworene Gemeinschaft E-Street Band an ein Ende.
Sprecherin:
In Bruce Springsteens Leben gibt es ab Anfang der 90er Jahre eine neue Familie: 1991 heiratet er Patti Scialfa, die für die “Born in the USA” Tour als Background-Sängerin zur E-Street-Band gestoßen ist. Im selben Jahr wird Springsteen zum ersten Mal Vater. Seine Tochter Jessica und wenig später seine Söhne Sam und Evan bringen ihn dazu, sich vom Mega-Rockstar zum Familien-Vater zu wandeln.
Sprecher:
Die Musik hängt er dennoch nicht an den Nagel. Patti und Bruce haben in jedem Zimmer ihres Hauses in Rumson, New Jersey, eine Gitarre stehen und im Keller richtet Bruce ein Tonstudio ein. Musik und Familie. Diesmal muss er sich nicht zwischen diesen beiden Polen entscheiden. Vielleicht ein Geheimnis seiner Ehe, wie Springsteen in einem Interview aus dem Jahr 2016 mit dem WDR verrät:
Einspielung: OT Bruce 2
Overvoice:
“Ich verstehe sie, sie versteht mich - das ist anders als in einigen meiner anderen Beziehungen. Sie brachte viel musikalische Freude in mein Leben. Sie ist eine großartige Songwriterin und Sängerin. Es war einfach eine Zusammenkunft von zwei Seelen, die sehr gut funktioniert.”
Sprecherin:
1993 erhält Springsteen einen Anruf des Filmregisseurs Jonathan Demme. Er bittet ihn, den Opening-Song für seinen nächsten Film “Streets of Philadelphia” zu schreiben. Darin soll es um die Ausgrenzung von AIDS-Kranken aus der US-Gesellschaft gehen. Demme schwebt ein peitschender Rock-Song vor - vielleicht so ähnlich wie “Born in the USA”?
Einspielung: Musik: Bruce Springsteen: Streets of Philadelphia 0.58
Sprecher:
Springsteen überlegt nicht lange. Die Ungerechtigkeiten in der amerikanischen Gesellschaft – das ist schließlich das Thema, an dem sich Springsteen sein ganzes Künstlerleben abgearbeitet hat. Der Text ist schnell da. Doch diesmal will die Gitarre nicht richtig dazu passen. Springsteen schaltet in seinem Homestudio einen Synthesizer ein und legt einen Beat mit einem Drum Computer unter.
Sprecherin:
Springsteens neuer Sound ist für ihn selbst stimmig. Er passt in die Zeit, wie er in einem Interview mit dem Rolling Stone sagt. Und offenbar stört die musikalische Verwandlung auch seine Fans nicht: “Streets of Philadelphia” wird trotz seiner düsteren Klangfarbe ein Top-Ten-Hit und Springsteen bekommt einen Oscar für die beste Filmmusik.
Sprecher:
Ende der 1990er Jahre schließt sich Springsteen dann doch wieder mit der E-Street-Band zusammen, mit der er nun Album um Album veröffentlicht und ausverkaufte, rauschende Konzerte abliefert.
Sprecherin:
Springsteen engagiert sich dabei weiter politisch. Er tourt für Amnesty International, spielt bei Wohltätigkeitskonzerten und setzt sich in Wahlkämpfen für die demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry und später Barack Obama ein, bei dessen Vereidigung er auch gemeinsam mit Folk-Legende Bob Seeger auftritt.
Einspielung: Musik Bruce Springsteen “This land is your land” 0.52 Archivnummer
MUSIK Easy riding USA 0.52
Sprecher:
Heute, mit über 75 Jahren, hat Bruce Springsteen über 140 Millionen Platten verkauft, 20 Grammys gewonnen. Er und die E-Street Band sind in die Rock ‘n Roll Hall of Fame aufgenommen. Er ist ein Fixpunkt, eine Konstante in der amerikanischen Rocklandschaft. Für viele ist er die Stimme Amerikas. Und diese Stimme setzt er ein, wenn es um sein Land geht: Im Wahlkampf 2024 positioniert er sich deutlich gegen Donald Trump. Er bezeichnet ihn als den „gefährlichsten Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte Amerikas“ und singt für die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris. Doch seine Stimme wird nicht erhört. Donald Trump gewinnt die Mehrheit der Stimmen der Amerikanerinnen und Amerikaner.
Sprecherin:
Bruce Springsteen macht einfach weiter. Er bleibt ein Rockstar, der auch nach über einem halben Jahrhundert auf der Bühne nicht stillsitzen kann, wenn er meint, es geht ungerecht zu in seinem Land. Er schreibt weiter Songs über die Lücke zwischen seinem Idealbild der Gesellschaft und dem Alltag seiner Landsleute. Seinen Traum von Amerika lässt er sich nicht nehmen.